Maren 2

Maren Lübbke-Tidow

Konkretion, suggestiv:

Ästhetische Zeichen des «Nach-Nichts»

in: Wood Survives in the Form of Postholes, Edition Camera Austria, 2016

In einem Interview hat die Künstlerin Isa Genzken einmal gesagt, dass sie das Medium Fotografie so sehr mag, weil es einen gewissen Realitätsbezug habe und universell verständlich sei. Im Prinzip liefere die Fotografie Hinweise auf die Realität, auf die Gegenwart, die wiederum für sie in der Entwicklung ihrer Skulpturen entscheidend sei. Denn eine Skulptur könne zwar verrückt sein, aber sie müsse einen gewissen Realitätsbezug haben.1

Wenn ich eine Gruppe neuerer Direktbelichtungen (»Tower«, 2015) von Stefanie Seufert betrachte, die sich durch ihre Art der Faltungen von Fotopapieren im Raum zu Skulpturen formieren, dann kommt mir dieser Gedanke von Isa Genzken über die universelle Sprache der Fotografie und die von ihr gezogene Verbindung zur Arbeit an der Skulptur in den Sinn.2 Dies mag irritieren, da die (meisten) Fotografien von Stefanie Seufert und das, was sie mit oder aus ihnen herstellt, zum Beispiel Skulpturen, zunächst als abstrakte (Bild-)Kompositionen erscheinen. Tatsächlich macht aber der Begriff der Abstraktion in ihrem Werk nicht wirklich Sinn, da alles, was die Künstlerin tut, einen ganz unmittelbaren Bezug zur Welt und ihren Erscheinungen aufweist. Dieser unmittelbare Bezug zur Welt konkretisiert sich in ihren analogen fotografischen Arbeiten geradezu – und darum wird es im folgenden Text im Kern gehen.

Formalästhetisch lassen sich mit dem Skulpturenensemble »Tower« klare Bezüge zu Genzken herstellen. Es ist eine Arbeit, die aus ihren ersten Faltungen von direkt belichtetem Papier hervorging (»Falter«, 2014). Mit den vordergründig einfach-smarten Titeln, die diese neue Gruppe von Arbeiten trägt, »Ipanema/Marine Pearl«, »Dark Aubergine«, »Atlas Grey«, dockt Stefanie Seufert (wie Genzken) an die unmittelbare Gegenwart und ihre normal gewordenen Extravaganzen an, die sich zum Beispiel in der Werbesprache mit ihren bildsprachlichen Suggestionen zeigen, Stichwort: »Dark Aubergine«. Erst beim zweiten Lesen öffnen sich in diesen Titeln auf subtile Weise Bezüge, etwa zu einem »modernen« Farbkatalog, mit dem sich eine mainstreamige Ästhetik der Gegenwart mitteilt, die gewiss für viele Menschen gerade lebenswichtig ist (wenn sie etwa die Farben ihrer Küchenmöbel auswählen oder die metallenen Oberflächen ihrer Neuwagen).

Genzken hat schon ihre frühesten Skulpturen an Computern generieren lassen, ein Aufwand, der enorm gewesen sein muss und wahrscheinlich ganze Büroräume mit riesigen Rechnern ausfüllte. Dagegen steht speziell in dieser Arbeit Stefanie Seuferts Körpereinsatz in der Dunkelheit des Farblabors. Hier werden die großformatigen Fotopapiere belichtet, gefaltet, erneut belichtet, wieder gefaltet usw., bis eine mehrfach farblich abgestufte Stele aus Papier den nötigen Stand im Raum findet. Mit ihren glänzenden Oberflächen changiert die Wahrnehmung dessen, was die Künstlerin hier vor uns abstellt, irgendwo zwischen Wolkenkratzer, Kotflügel und industriellem Verwertungsrest. Keine Abstraktion, aber: Konkretion, suggestiv. Die ganze Fragilität diesesskulpturalen Ensembles aus Fotopapieren, das gerade nicht auf weitere Träger aufgebracht wurde, sondern in seiner rein papiernen Existenz klar einsturzgefährdet ist, lässt Verweise in vieleRichtungen zu: Die Knicke und die nicht an jeder Stelle glattgezogenen Oberflächen machen deutlich, dass wir es hier mit manueller Fertigung zu tun haben. Ein klar an den Körper gebundener und auf diesen bezogener Herstellungsprozess wird sichtbar. Das Bild kann nicht größer werden als seine Produzentin beziehungsweise die Spannbreite ihrer Arme, es wäre einfach nicht mehr handhabbar. Mit diesem Zugriff aufs Material ist sie den fotografischen Arbeiten des britischen Künstlers Walead Beshty ähnlich3. Zugleich zeigt sich ein Insistieren auf der fotografischen Abbildbarkeit von etwas, und sei es nur das Abbilden eines Wortes, Stichwort: »Atlas Grey«: Das Trägermaterial Papier und das, was auf seiner Oberfläche emulgiert, reicht zur Darstellung, ihm muss nichts hinzugefügt werden. Aber – in einer metaphorischen Lesart – wird auch klar: Es geht Seufert um die Brüchigkeit der Angebotsökonomie der Gegenwart. Ganz grundsätzlich spürt sie in ihren Arbeiten ihre unsinnigsten und absonderlichsten Fortsätze auf, die wie selbstverständlich in Verwertungskreisläufe eingespeist werden und hier ihr nicht eben unrentables Eigenleben führen. Sondern die sich im Gegenteil als eigene ästhetische Erscheinungen durchsetzen, und sei es nur in Form einer Vorstellung von Farbe, Stichwort: »Marine Pearl«. Plötzlich ist sie da und beginnt zu zirkulieren, verbunden mit der Vermittlung ihrer dezent-frisch-schillernden Eigenschaften, die stilbildend wirken: zum Beispiel als Farbtrend, mit dem sich Zeitgeistigkeit und Lebensgefühle erwecken und verkaufen lassen.

Der Titel dieses Buches, Wood Survives in the Form of Postholes, ist in diesem Zusammenhang – und auch in Zusammenhang mit anderen Arbeiten Seuferts – genauso irre wie aufschlussreich. Im Grunde ist posthole ein Begriff aus der Archäologie: Dort, wo nicht mehr als nur noch eine Vertiefung im Boden auffindbar ist, muss zuvor ein Formenvolumen gewesen sein, ausgefüllt durch Material, das sich zersetzt hat: Holz hat sich humifiziert. Das posthole ist also ein Negativabdruck, der Aufschlüsse darüber gibt, was mal war, jetzt aber nicht mehr existent ist, so etwas wie ein Nach-Nichts. Im ersten Augenblick musste ich bei posthole an Helen Chadwicks »Piss Flowers« (1991/92) denken, und diese Verbindung hält auch: Die Künstlerin urinierte in den Schnee und nahm Abgüsse der durch die warme Körperflüssigkeit geschmolzenen Löcher. Durch dieses Verfahren des Negativabdrucks entstanden insgesamt zwölf Skulpturen, die zuallererst von etwas erzählten, was sich im Moment seiner substanziellen Existenzwerdung zugleich verflüchtigte. Nur noch die Löcher im Schnee verwiesen darauf, das da etwas stattgefunden hat: eine Performance der Künstlerin, das Ausscheiden ihrer Körperflüssigkeiten und die Verflüchtigung derselben im gleichen Moment. Was entstand, war ein Nach-Nichts, ein posthole. Dieses Nach-Nichts ist das erste, was sich mit den »Piss Flowers« mitteilt. Im Abgussverfahren gelangte etwas zugleich universell Essenzielles wie zugleich weitgehend Inexistentes zur Darstellung. Und erzeugte einen Raum für weitere Spekulationen über die Bedeutung dessen, was die Künstlerin da gemacht und was sie daraus hergestellt hatte.

Wenn wir in diesem Zusammenhang über Fotografie nachdenken, ist das posthole ziemlich vielversprechend: So schräg der Begriff auch klingen mag, einen besseren Ersatz für den für FotografInnen mittlerweile so tödlich-langweiligen Begriff Spur konnte die Künstlerin gar nicht finden. Weil er zwar auf diesen alten Begriff (der »Spur« verweist, aber jenseits seines Coolnessfaktors noch viel mehr kann. Denn Wood Survives in the Form of Postholes zeigt nicht nur Seuferts fotografische Methode an, für die nach wie vor das fotografische Umkehrverfahren der analogen Bildarbeit vom Negativbild hin zum Positivabzug entscheidend bleiben muss. Zum Beispiel für ihre teilweise – gerade in den Fotogrammen, die einen großen Teil ihres Werkes ausmachen, – buchstäbliche Durchdringung ihrer als bildwürdig empfundenen Gegenstände. Konkretion. Wood Survives in Form of Postholes zeigt darüber hinaus auch Seuferts forschenden Zugang auf die uns umgebende Dingwelt an: Nennen wir es ein Freisetzen der ästhetischen Zeichen, die – wie postholes – immer irgendwie auch da sind und uns beständig umgeben, die für sich aber keine eigene Sichtbarkeit erzeugen, sondern im Gegenteil eine Eigenexistenz zu führen scheinen. Die Fotogramme von Stapelchips (»Pringles«, 2013), deren Negative die Künstlerin überdimensional groß abgezogen hat, wären dafür ein Beispiel. Als eine Art Allover überziehen diese und unendlich viele andere ästhetische Zeichen unsere Gegenwart und gehen zugleich in ihr unter. Sorgsam und zielsicher greift Stefanie Seufert nach exakt diesen »Objects and Items«4unserer Dingwelt, erforscht ihre Strukturen und Substanzen, und entwickelt in einer Art der zugleich genauen wie freien Abbildung ein eigenes fotografisches Bild von ihnen. Und gibt ihnen als eigene ästhetische Erscheinungen einen Bildraum. Die Fotografie, wie Stefanie Seufert sie einsetzt, ist dabei – wenn wir uns die großformatigen Bilder von »Pringles« und »Tacos« anschauen – dem mechanischen Zeichenutensil des Pantografen vergleichbar, ein Präzisionsinstrument, mit dem Zeichnungen in einen kleineren oder größeren Maßstab übertragen werden. Genau so skalierend geht Stefanie Seufert mit ihren Fotogrammen vor, wenn sie die Lichtarbeiten ins Überdimensionale vergrößert, und damit eine zugleich exakte wie abstrahierende Darstellung ihrer direkt belichteten Gegenstände gibt. Es entsteht eine Archäologie der Gegenwart: die Dinge vergrößert betrachten und untersuchen. Gebunden an das Medium Fotografie, das Universalität verspricht, und das – wie Seufert zeigt – hier aller Repräsentationskritik zum Trotz dieses Versprechen auch halten kann.

Man könnte nun glauben, es ginge in dieser Arbeit um eine Art Abgesang auf die kruden, überflüssigen »Objects and Items« unserer Ding- oder Konsumwelt, darum, die Mikrophysik der Macht der Waren und ihre ästhetischen Köder und Details aufzuzeigen und ihre stimulierende Wirkung zu desavouieren. Dieser Aspekt schwingt sicher in ihren Arbeiten mit – wird aber in der Arbeit ihres Künstlerkollegen Stefan Panhans expliziter angesprochen –, und in der Betrachtung von Mehrfachbelichtungen eines unbedruckten Preisschildchens, das Ausverkauf verspricht,» repeat« (2015), wird er auch greifbar.

Aber es geht Seufert eher um ein konstantes Aufspüren der Besonderheiten, die in den Dingen liegen: das gleichermaßen fremdartig-abstrakte wie emblematische, das ihnen zu eigen ist. Schon »repeat« erzählt davon, aber auch »racing« (2015) ist dafür ein Beispiel. Es ist die freigestellte Fotografie eines Ralleystreifens. Sie hat speziell durch ihre Formatgebung eine solch signethafte Wirkung, dass nicht nur ein unendlicher Raum für Rennfantasien entsteht oder sich das Bild eines vielversprechenden Designs entfaltet, sondern – weit darüber hinausgehend – sich das fotografische Bild durch die reine Abbildung (mehr Konkretion geht nicht) als abstrakte Komposition behauptet. Der Maler Günter Fruhtrunk und sein Entwurf für die Einkaufstüte des Aldikonzerns kommen einem da in den Sinn. Das Design der Tüte wurde vor ein paar Jahren als ein Entwurf dieses Künstlers wiederentdeckt und gefeiert. Nur kehrt Stefanie Seufert mit »repeat« und »racing« den Prozess um: Während die Funktion des industriell hergestellten Gebrauchsartikels den Kunstanspruch zerstörte, den Fruhtrunk an seinen Entwurf gehabt haben mag, verleiht Stefanie Seufert ihren universell verstehbaren Zeichen wie in »repeat« oder »racing« erst einen solchen. Doch die Künstlerin bleibt mit ihrer Arbeit, die durch ihre teilweise offen-schräge wie zugleich beherrscht-coole Ästhetik einfach auch ein großer Spaß in der Betrachtung ist, kritikfähig. Etwa in ihren Fotografien von Billigwaren. Noch 2014 gab Stefanie Seufert in der vierteiligen Serie »a bouquet of colours« eine sachliche Darstellung von poppigem, weitgehend sinnfreiem Hundespielzeug ab, aufgenommen von allen Seiten und/ oder spiegelverkehrt. Die Bilder verwiesen auf nichts anderes als auf Form- und Farbspiel – und auf die schiere Unendlichkeitsschleife, die die Konsumgüterindustrie mit der ihr eingeschriebenen Logik einer Ökonomie des Begehrens immer wieder neu dreht, dabei in immer wieder neue Nischen vordringt und auf alle Lebensbereiche abzielt, selbst auf die eines Hundes, der mit einem bunten Accessoire nun noch viel niedlicher aussieht. »abouquet of colours« – ob im Titel eine Anspielung an die berühmte Fotografie von Christopher Williams enthalten ist (»Bouquet for Bas Jan Ader and Christopher D’Arcangelo«, 1991), sei dahingestellt – ist eine Vorläuferarbeit zu ihren »Farbstücken« (2015). Anders als Annette Kelm, die in ihren »Big Prints« (2007) die großflächig gemusterten, opulenten Dekorstoffe der stilprägenden amerikanischen Raumgestalterin Dorothy Draper fotografierte, entscheidet sich Stefanie Seufert dafür, Flickenteppiche zu zeigen, die in jedem 1-Euro-Shop zu haben sind. Die visuellen Strategien, die beide Künstlerinnen hier anwenden, sind vergleichbar: Der Bildraum wird zu extremer Flächigkeit umgedeutet, das Objekt der Darstellung wird in Eins-zu-eins-Reproduktionen zur Deckung gebracht. Der Bildraum wird also in Oberfläche aufgelöst, wahrend er zugleich doch nur nüchtern das Objekt vorführt. Es ist eine konsequente, radikalisierte Sachlichkeit, mit der es schon Annette Kelm gelang, die Repräsentationslogiken des Fotografischen vollkommen zu unterlaufen.5Stefanie Seufert nimmt diese Methode auf. Anders aber als bei Annette Kelm müssen hier die ProduzentInnen, die in Billiglohnländern noch aus den letzten verwertbaren Stoffresten Teppiche weben und die Vorlagen zu Seuferts »Farbstücken« liefern, anonym bleiben. Die Künstlerin kritisiert damit nicht unbedingt offen die Politik der Ausbeutung, mit der es das Produkt trotzdem gerade mal nur in einen Billigshop schafft, sondern stellt mit ihren nebeneinander gestellten »Farbstücken« heraus, dass die Herstellung noch jedes einzelnen Flickenteppichs in (manueller) Akkordarbeit mit jeweils einmaligen und individuellen ästhetischen Entscheidungen verbunden ist – und weist ihnen den berechtigten Charakter von Unikaten zu. Eine Auszeichnung, die Dorothy Drapers Stoffballen am laufenden Meter nie hätten erlangen können, ein Argument aber, dass im Billigwarensektor natürlich zu nichts gut ist.

Insbesondere die Fotografien, die Stefanie Seufert in bestechender Präzision aufnimmt und dabei die Objekt- und Studiofotografie sowie das Stillleben und die Architekturfotografie zitieren (etwa in »Volkspark«, 2013, oder in »Obi«, 2015), rufen in ihrer in diesem Buch verstreuten Präsenz die Frage auf, wie diese sich zu den experimentellen Versuchsanordnungen, die die Künstlerin mit Mehrfachbelichtungen (und -faltungen) von Fotopapier im Farblabor durchspielt, verhalten, oder wie diese weitergehend in Beziehung zu setzen sind zu den Fotogrammen, in denen Gegenstände direkt belichtet und zum Teil ins Monumentale vergrößert werden. Sicher kann man allgemein sagen, dass mit diesem Ineinandergreifen von verschiedenen bildnerischen Strategien stabil geglaubte Bildrethoriken aufgebrochen werden, allen voran die, die sich traditionell mit der Sachaufnahme verbinden, die mit der klaren Identifizierung ihres abgebildeten Gegenstandes verbunden ist. Obwohl in vielen Fällen nur trocken das Objekt der Darstellung vorgeführt wird, gelingt es hier in der Betrachtung nicht, direkt zum Kern der abgebildeten Dinge und Objekte vorzudringen. Mit ihrer visuellen Strategie, so wie sie in den Sach- und Architekturaufnahmen aufscheint, steht also nicht die Offenlegung oder die Ästhetisierung des Wirklichen im Zentrum, vielmehr arbeitet Stefanie Seufert konstant an einer Verunsicherung des Verhältnisses von Sichtbarkeit und Wirklichkeit. Wenn wir uns nun vor Augen halten, dass insbesondere die experimentelleren Arbeiten explizit Ausdruck davon sind, dass auf dem Bild immer mehr zusammenkommt als unmittelbar zu sehen ist – und gleichzeitig das Medium Fotografie mit seinen bildnerischen Möglichkeiten der Darstellung aber reicht, um dieses Mehr zu zeigen, Stichworte: »Piss Flowers«, posthole, Nach-Nichts, Archäologie der Gegenwart –, dann kommen wir nicht umhin, gerade die Sachaufnahmen von Stefanie Seufert auch als eigene, autonome ästhetische Zeichen zu lesen. Wir befinden uns an jeder Stelle im Werk von Stefanie Seufert in einer offenen Untersuchung, in der es darum geht, die Hybridität der Zeichen in der uns umgebenden Welt überhaupt erstmal zu sehen. Die Sach- und Architekturaufnahmen mögen zwar letzthin den Status der Fotografie in ihrem Universalitätsanspruch der Lesbarkeit bestätigen, befreien sie aber kurioserweise zugleich davon, denn auch in ihnen geht es immer um eine sich mit ihnen öffnende hybride Zone der Wahrnehmung, die zwischen Emblematik und Fremdartigkeit changiert. Wir sind wieder in der Nähe von Isa Genzken, die interessanterweise in fast allen ihren Ausstellungen ihre Fotografien in eine räumliche Nähe zu ihren Skulpturen setzt. Die Fotografie hat hier die Funktion einer Art Gegenprobe. Das, was eine abstrakte Form findet, muss der fotografischen Aufnahme mit ihren klar identifizierbaren Gegenständen standhalten und gegebenenfalls ein Gespräch der Formen untereinander begründen. So funktionieren auch die Sach- und Architekturaufnahmen in Stefanie Seuferts Werk: als Gegenprobe zu den experimentelleren oder wenn man so will freieren Arbeiten. Nur beproben sich in diesem Werk Bilder, die medien-ident sind. Sie nehmen voneinander verschiedene Funktionen ein – obwohl sie sich beide auf den gleichen Referenten, Welt, und seine zu jeder Zeit zugleich bizarren und bezeichnenden Erscheinungen beziehen. Mit diesen die Arbeit von Stefanie Seufert durchziehenden Gegenproben wird eine Art suggestive Konkretion möglich, ohne dass dieser Begriff einen Widerspruch provoziert, so sehr sich die beiden Wörter auch aufheben mögen. Es ist eine eigene Darstellung von universell auffindbaren Dingen, die eine unmittelbare Nähe zu der uns umgebenden Welt aufweisen. Diese werden aber als eigene ästhetische Zeichen mit dem Anspruch auf Autonomie sichtbar gemacht – als eigene kommentierende (Gegen-)Stimme zu im Raum – im Nach-Nichts – schwirrenden Dingen und Wörtern. Dies ist das fotografische Programm von Stefanie Seufert.

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Maren Lübbke-Tidow ist Autorin, Redakteurin, Kuratorin und Dozentin. Sie Lebt in Berlin.

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1 Vgl. Isa Genzken, im Gespräch mit Wolfgang Tillmans, in: Camera Austria International,

Nr. 81 (2003), S. 7–18.

2 Hier soll kein (veralteter, transkultureller und/oder transhistorischer) Universalitätsbegriff wieder aufgelebt werden, im Sinne eines naiven und positivistischen Abbildungsverständnisses, wie ihn bereits Allan Sekula in «Der Handel mit Fotografien« hinreichend problematisiert hat. Genzken folgt hier – so denke ich – einer Vorstellung von Fotografie als Medium, das aufgrund seiner Repräsentationsqualitäten grundsätzlich einen unmittelbaren (oder auch schlichten) Einstieg ins Bild ermöglicht, ohne dabei die in jeweils viele Richtungen inhärent offenen und kritischen Enden zu ignorieren. Im Gegenteil: Gerade das Zusammenspiel von Skulptur und Fotografie in ihrem Werk und Genzkens Methode, Appropriiertes und selbst Aufgenommenes zusammen zu denken und zu führen, hebt die im Werk vorgeschlagenen konkreten und kritisch-reflexiven Leseweisen ihrer fotografischen Bilder hervor. An diese Vorstellung des Fotografischen und seiner hier so genannten universellen Verstehbarkeit knüpfe ich an.

3 Vgl. Jens Asthoff, »Walead Beshty: Sensibles Material«, in: Camera Austria International

Nr. 115 (2011), S. 35–47.

4 So der Titel der Ausstellung von Stefanie Seufert und Stefan Panhans in der Kerstin

Engholm Galerie, Wien, 18.3.–3.5.2013, kuratiert von Maren Lübbke-Tidow.

5 Vgl. den Pressetext zur Ausstellung von Annette Kelm bei Camera Austria,

Graz, 10.7.–13.9.2009, kuratiert von Maren Lübbke-Tidow


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